Die Carte-de-visite

Dank der Erfindung des nassen Kollodiumverfahrens in den 1850er Jahren wird die Bildqualität nicht nur besser, sondern auch die Belichtungszeiten werden deutlich kürzer. Dies ist die wichtigste Voraussetzung für die Porträtfotografie, die nun einen starken Aufschwung erlebt. 1854 lässt der französische Fotograf André Adolphe Eugène Disdéri sein «Carte-de-visite»-Bildformat patentieren, das in der Porträtfotografie weltweit sofort zu einem Erfolg wird.

Für seine «Carte-de-visite»-Bilder, die etwa 6×9 cm gross waren, belichtet Disdéri mehrere Aufnahmen nebeneinander auf die gleiche Platte. Er verwendet dazu Kameras mit mehreren Objektiven, oder er versetzt die Kassette mit der Platte nach jeder Aufnahme um ein Bildfeld. Die Aufnahmen entstehen nacheinander, so dass die Person verschiedene Posen einnehmen kann. Durch die Reduktion des Formates und die rationalisierte Produktionsmethode werden Porträts für jedermann erschwinglich.

Die Erfindung von Disdéri bewirkt eine rasche Zunahme der Porträtstudios in Europa und in Amerika. Für die Porträtaufnahmen stehen den Kunden eine grosse Auswahl an Requisiten und Dekors zur Verfügung, um sich wunschgemäss in Szene zu setzen. Zur Ablieferung werden die Papierabzüge auf einen speziellen Karton geklebt, auf dessen Rückseite der Fotograf unübersehbar seine Werbung platziert.

Die «Carte-de-visite»-Bilder erweisen sich schnell als grossen kommerziellen Erfolg. Man sammelt die kleinen Bildchen von Familienmitgliedern, von Freunden oder berühmten Persönlichkeiten und hebt diese in reich verzierten Alben auf. In den gleichen Jahren kommen weitere, grössere Formate in Mode: sie heissen «Kabinett», «Boudoir» und «Promenade».

Illustration:
Episkop zur Projizierung von lichtundurchlässigen Dokumenten in Visitenkartenformat, unbekannte Herkunft, um 1880.
Gestrichenes Metall, ausgestattet mit einer Petroleumlampe und einem Spiegel
.